Nachgeschenkt von Lothar Bohl: Echte Zauber”freunde”

Nachgesch

Vor einiger Zeit, beim Auftritt eines TV-bekannten Zauberprofis am Aktionstag in einem Museum:

Einlass des Publikums. ER, nennen wir ihn Zauberfreund Wichtigmann, nimmt ohne Umschweife Platz, erste Reihe, etwas am Rande. Noch im Getümmel der Platzsuchenden holt er sein Kartenspiel hervor, rauscht und riffelt und egalisiert es betont beiläufig. Sein Repertoire ist begrenzt. Als alle sitzen, widmet er sich dem Twirl Change. Er badet in den zunehmend neugierigen Blicken der Umsitzenden, gibt aber gleichzeitig mit unbeeindruckter Miene vor, diese gänzlich zu ignorieren. Er wiederholt den Twirl Change so oft und teilweise so langsam, dass auch der begriffsstutzigste Zuschauer schließlich bemerken sollte, was hier gedreht wird.

Zum Glück beginnt nun das Profi-Programm auf der eigens aufgebauten Bühne. Was aber Zauberfreund Wichtigmann nicht davon abhält, sich nahtlos dem öffentlichen Training des Double Lifts zuzuwenden. Im stetigen Wechsel dreht er mal eine, mal zwei Karten bildoben. Da er bei seinem Kartendrill jedoch noch nicht bei den Feinheiten des Dublierens angekommen ist, verändert er jedes Mal auffällig die Fingerhaltung. Für mich, schräg dahinter sitzend, ein unfreiwilliger Kursus in “Be unnatural”.

Zum Glück hat der Zauberprofi auf der Bühne das Publikum schnell in seinen charmanten Bann gezogen und dessen volle Aufmerksamkeit erlangt. Zauberfreund Wichtigmann schaut nur gelegentlich auf, stets mit stoischem Blick. Noch vor Ende des Kurzprogramms erhebt er sich und schreitet gewichtig vor der Bühne entlang zum Ausgang. So ist er wenigstens kurz ins Scheinwerferlicht getaucht. Gelacht oder gar geklatscht hat er kein einziges Mal. Und erträgt wohl auch deshalb nicht den kräftigen Schlussapplaus, der gleich einsetzen wird. “Was für ein Wichtigmann”, mag er sich denken – und dabei den Künstler auf der Bühne meinen.

Wahrlich, wer solche Zauber”freunde” im Verein, im Publikum oder in seinem privaten Umfeld hat, der braucht wirklich keine Feinde!


 

Fundsache: Hoch verehrtes Publikum!

Nachgesch

Wenn man zeitgenössische Programmhefte (oder auch Werbematerialien) aufschlägt, schreit einem oft schon in der Begrüßung entgegen, wie UNGLAUBLICH und GROSSARTIG der MEHRFACH AUSGEZEICHNETE und WELTWEIT ERFOLGE FEIERNDE MEISTERMAGIER einfach ist, der in Kürze leibhaftig vor einem stehen soll.

Subtext: Der kunstfremde Pöbel möge sich gefälligst dankbar zeigen, dass der ILLUSIONIST DES NEUEN JAHRTAUSENDS sich heute Abend, nach UMJUBELTEN GASTSPIELEN in Los Wochos und Klein-Paris, in der Stadthalle Bitterfeld überhaupt die Ehre gibt, und das zu Schmutzpreisen!

Wer derartige sprachliche Kraftmeierei für normal und gar sympathisch hält (Hallo an alle MERLIN Preisträgkäufer!), der möge sich als Kontrast vielleicht einmal das nachfolgende Intro aus einem alten Programmheft von Alois Kassner zu Gemüte führen:

Kassner1

Der ebenfalls große Zaubermeister nicht als Ehrfurcht heischender, ferner Halbgott, sondern als (ziemlich) bescheidener und dankbarer Verbündeter des Publikums – so geht’s auch! Sicher auch heute noch.

Tja, früher war eben alles besser, sogar die gute, alte Zeit…


Bildnachweis: Die schöne Lota Vase oben gibt es z.B. bei New Magic Line.


Kleinanzeigen Flimmer