Im Interview: Nicolai Friedrich

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„Mein Fokus ist immer das Erlebnis der Zuschauer“

Hallo, Nicolai! Schön, dass ich dich so kurz nach dem Ende deines winterlichen Zeltpalast-Gastspiels in Frankfurt erwische. Wie fällt dein Fazit darüber aus?

Es hat unheimlich viel Spaß gemacht, fast 50 Shows in diesem wirklich tollen Rahmen zu spielen. Insbesondere hat mir gefallen, dass die Zuschauer es wirklich schätzen, Zauberei einmal ganz nah zu erleben. Daher wurde das ganze Projekt wohl auch so gut angenommen, und ich kann an dieser Stelle schon verraten, dass es eine Fortsetzung geben wird: Dieses Jahr im Dezember wird der Zeltpalast wieder aufgebaut, und ich freue mich schon sehr darauf.

Wie ist das Projekt entstanden, und welche Vorlaufzeit hat es gebraucht?

Ich habe mich im Frühjahr 2019 mit meinem Veranstalter zusammengesetzt, und wir haben darüber geredet, ob wir für 2020 ein neues Programm benötigen. Die Bühnenshow läuft zwar im dritten Jahr, dennoch sind wir überein gekommen, dass wir bei den bundesweiten Zuschauerzahlen noch Luft nach oben haben. Anders im Rhein-Main-Gebiet, wo ich seit vielen Jahren auch mit öffentlichen Shows sehr präsent bin. Hier wollten wir etwas Neues machen.

Ich komme ja ursprünglich aus der Close-up-Magie und konnte oder wollte mich nie einzig auf Mentalmagie festlegen. Mein Fokus war nie eine spezielle Sparte, sondern ist immer das Erlebnis der Zuschauer. Jeder weiß, dass Zauberei umso erstaunlicher ist, je näher und unmittelbarer sie stattfindet. Also habe ich meinem Veranstalter gesagt, wir brauchen einen solchen „Close-up“-Rahmen. So kamen wir auf die Idee mit dem Zelt.

Es stand auch die Idee im Raum, sich das Zelt und die Termine mit anderen Künstlern zu teilen…

Ja diese Idee wurde auch umgesetzt. Verschiedene Künstler hatten Einzelshows im Zeltpalast, etwa Bodo Bach, Ingo Appelt, Matthias Fischedick und Alexander Herrmann.

Neben dem ganzen organisatorischen Aufwand war das ja sicher auch kein kleines finanzielles Risiko. Hattest du starke Investoren in der Hinterhand oder andere Partner und Unterstützer, die man einmal nennen sollte?

Wir hatten keine klassischen Sponsoren. Das Hauptrisiko trug mein Veranstalter S-Promotion zusammen mit mir. Wir hatten aber tolle Werbepartner, ohne die das Projekt sicher nicht möglich geworden wäre. Vielen Dank daher an die Stadt Frankfurt, die Commerzbank-Arena, an Hitradio FFH und an die Frankfurter Neue Presse!

Am Ende scheint die Rechnung ja gut aufgegangen zu sein, denn du hast vorhin bereits angekündigt, dass es im Dezember weitergeht…

Ja das stimmt zum Glück, aber natürlich lernt man im ersten Jahr auch einiges dazu und zahlt etwas Lehrgeld. Insgesamt sind wir jedoch alle sehr zufrieden und freuen uns auf die Fortsetzung!

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Nicolai Friedrich im Zeltpalast in Frankfurt (Foto: Salar)

Täuscht der Eindruck, oder hattest du im Verhältnis zu früher mehr Zauberei und etwas weniger Mentales im Programm?

Ich habe zwar schon immer stark gemischt und mich bewusst nie auf die Mentalmagie beschränkt. Im besonderen Rahmen des Zeltpalastes war es mir aber auch wichtig, viele klassische Close-up-Kunststücke wie Karten, Matrix oder Chop Cup zu zeigen. Dein Eindruck trifft also sicher zu!

Was steht bei dir noch so in diesem Jahr an?

Meine Tour startet wieder im April, und ich arbeite im Hintergrund fleißig an neuen Nummern. Ob daraus am Ende ein neues Bühnenprogramm wird oder ein zweiter Teil von „Magie ganz nah“ entsteht, kann ich noch nicht sicher sagen. Dazwischen läuft das normale Auftrittsgeschäft mit Firmen-Events und Galas im In- und Ausland.

Noch ein kurzer Blick zurück. 2019 war ja auch das Jahr des 25-jährigen Jubiläums der Fertigen Finger, das ihr in München gefeiert habt. Nach Thomas Fraps, Pit Hartling und Helge Thun möchte ich auch dich noch dazu im besten Sportreporter-Duktus befragen: „Nicolai Friedrich, wie hat sich das in dem Moment angefühlt?“

Es kommt mir überhaupt nicht wie 25 Jahre vor. Immer wenn wir uns treffen, fühlt es sich so an wie damals vor 25 Jahren. Es ist einfach toll, mit so vielen guten, aber auch völlig unterschiedlichen Leuten auf kleinstem Raum quasi eingeschlossen zu sein, denn so entstehen wirklich neue Impulse und Ideen, auf die man alleine niemals gekommen wäre.

Glaubst du, dass Ihr auch über die nächsten 25 Jahre noch ab und an zusammen auf der Bühne stehen werdet?

Es wird sicher schwieriger, aber ich hoffe es! Für mich kann ich sagen, dass es mir immer unheimlich viel bringt, wenn ich neue Nummern im Kreise der Finger ausprobieren und einspielen kann. Ich werde versuchen, soweit es meine Zeit erlaubt, weiterhin dabei zu sein!

Wie und wo könntest du dir denn das Jubiläum „50 Jahre Gichtige Griffel Fertige Finger“ vorstellen?

Dann machen alle Mentalmagie und Großillusionen! Nein, ich lasse mich überraschen, die Kollegen kommen immer wieder mit total neuen Ideen um die Ecke – Ben mit seinem Toilettenzelt, Jörg Alexander im Hasenkostüm, oder Gaston als Jaqueline. Das Potenzial für weitere Überraschungen ist auf jeden Fall da…

Was würdest du denn deinem 25 Jahre jüngeren Selbst aus heutiger Sicht gerne zurufen wollen? (Außer vielleicht „Augen auf bei der Berufswahl!“?)

Alles wird gut!

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Ich begegne deinem Vornamen fast ebenso häufig mit „k“ wie mit „c“ geschrieben. Klär uns doch bitte mal darüber auf!

Also, im wahren Leben werde ich mit „k“ geschrieben. So steht es auch in meinem Personalausweis. Als ich mich in den 90er Jahren zum ersten Mal daran machte, einen eigenen Prospekt zu entwerfen, meinte die damalige Grafikdesignerin, dass Nicolai mit „c“ vom Schriftbild schöner wirken würde, außerdem „internationaler“. Demzufolge habe ich quasi durch die Änderung eines Buchstabens meinen Künstlernamen geschaffen. Aber du hast recht, man kann da ganz schön durcheinander kommen!

Passier es auch noch, dass du ab und an als Friedrich Nikolai angesprochen oder angeschrieben wirst?

Ja, das kommt hin und wieder vor und zeigt, dass ich noch nicht wirklich berühmt bin…

Welchen großartigen Künstlernamen hättest du dir beinahe einmal gegeben?

Ich hatte tatsächlich mal Nicolai Alexander überlegt, denn so heiße ich wirklich mit Zweitnamen, aber da ist mir Jörg (Alexander) Weber zuvorgekommen. Aber Du willst sicher auf „großartige“ Namen heraus… Also auf meinem ersten Plakat – da war ich 12 – steht Nikolai Nikoleiowitsch!

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Das hat auch was… Und welchen Zaubertraum möchtest du unbedingt noch realisieren?

Es gibt viele Ideen, die ich gerne hinbekommen würde, zum Beispiel eine neuartige Erscheinungsillusion (ja, Illusion!), die ich total schön finde und sehr sehr gerne einmal auf die Bühne bringen würde. Ich hoffe, das klappt irgendwann… Mehr möchte ich noch nicht verraten.

Apropos, Helge Thun hat mir neulich verraten, dass 2021 hoffentlich sein Zauberbuch erscheinen wird. Schreibst du auch schon an deinem?

Nicht wirklich. Natürlich habe ich im Lauf der Zeit Material angesammelt, aber ich lege meinen Fokus derzeit noch voll auf das aktive Vorführen. Wenn das irgendwann mal nachlässt, werde ich sicher auch Seminare halten oder ein Buch schreiben. Aber das hebe ich mir tendenziell fürs Alter auf, also so wie Helge…

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Bitte kommentiere abschließend noch die folgenden Namen und Begriffspaare möglichst kurz und knackig:

Mona Lisa:

Sicher ein Meilenstein in meiner Karriere. Ohne ihr Lächeln wäre ich sicher nicht da, wo ich heute bin!

David Copperfield:

Nach wie vor für mich der innovativste Zauberkünstler der Gegenwart. Seine gesetzten Maßstäbe sind in vielen Bereichen bis heute unerreicht. Obwohl er fast jeden Tag noch zwei Shows spielt, ist er immer noch hungrig und interessiert sich für alle Neuheiten in der Zauberkunst.

Stadthalle oder Zeltpalast?

Wenn du so fragst, ganz klar der Zeltpalast! Obwohl ein schönes Theater oder eine große Location wie die Jahrhunderthalle auch ihren ganz eigenen Reiz haben. Ich liebe beides!

Mentalismus oder Mentalmagie?

Mentalmagie natürlich! Mentalismus impliziert für mich, dass übersinnliche Fähigkeiten im Spiel sind, und das ist überhaupt nicht meine Ding!

Zauberer und Mentalisten / als Elektronik-Spezialisten (hey, eine Reimvorlage für Helge!):

Das ist Fluch und Segen zugleich. Man sollte immer ein solides Handwerk und einen Plan B in der Hinterhand haben / sonst geht man ganz schnell baden (auch ein Reim!).

Mehr Charme: Gaston oder Jaqueline?

Wenn ich jetzt Gaston sage, wird Jaqueline total unglücklich – also sage ich Gisbert!

Mehr Rampensau: Pit oder Heinz?

Superheinz!

Besten Dank für das Gespräch, Nicolai, und weiterhin viel Erfolg!


Alle weiteren Interviews gibt es hier.

Hier geht es zu Nicolais Website.


Zauberei sehen und hören

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Jörg Alexander – Vimeo-Screenshot (s.u.)

Wer gestern die “Lange Nacht der Zauberei” von Margot Litten im Deutschlandfunk verpasst hat, kann den dreistündigen Kessel Buntes mit vielen O-Tönen (u.a. mit Siegfried, Wittus Witt, Thomas Fraps, Helge Thun, Jörg Alexander, Christoph Borer) derzeit hier nachhören und auch das 57-seitige (!) Manuskript der Sendung herunterladen. Im Vorfeld gab es auch noch ein Interview mit Hans Klok.

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Harry Keaton wurde vor ein paar Tagen in einem Beitrag der “Hessenschau” des hr-Fernsehens als “Ein Magier mit Doktortitel” vorgestellt, der hier abrufbar ist.

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Roberto Giobbi bietet am 7. und 8. März 2020 auf Schloss Guteneck eine neue Masterclass über “Stand-up Card Magic” an.

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 Hier gibt es ein neues kurzes Video von Jörg Alexander über die Zauberkunst.

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Wenn Anfang Juli FISM Europe in Manresa (Spanien) über die Bühne geht, werden die folgenden deutschen Acts und Seminarleiter dabei sein: Topas, Eberhard Riese, Gaston Florin (mit Jaqueline!) und Nikolai Striebel.