Im Interview: Hakan Varol

Varol

„Ich bin kreativer als ein Lochbohrer!“

 

Lieber Hakan Varol, wie hat Ihnen denn der Auftritt von Harry Keaton mit Ihrer gemeinsam entwickelten Fühlbox bei „Penn & Teller: Fool Us“ gefallen?

Hakan Varol: Er war super, richtig toll! Er hat ein Kunstwerk daraus gemacht!

Klingt da auch Stolz mit?

Ein bisschen, natürlich. Aber es geht ja nicht um mich. Es hat lange gedauert, die Box zu dem zu machen, was sie heute ist – ein schlichter Kasten in unschuldig weißem Look und so gar kein Zauberrequisit.

Beschreiben Sie doch bitte mal ein bisschen Ihre Arbeitsweise als Erfinder und Entwickler.

Ich bin Autodidakt. Bei mir gibt es keine gezeichneten Pläne. Ich probiere gerne stundenlang verschiedene Möglichkeiten mit allen möglichen Materialien aus und lasse mir alle Optionen offen. Wenn eine Idee nicht funktioniert, versuche ich eine andere. Bei mir kann sich jeder Kunde erst einmal alles nur Denkbare wünschen. Dann suche ich nach Wegen, das zu ermöglichen. Am Ende muss der Zeitaufwand natürlich in einem vernünftigen Verhältnis zum Ergebnis stehen.

Wie lief das bei der Entwicklung der Box mit Harry?

Harry hatte eine Gefühlsbox von Boretti gekauft und kam damit irgendwann zu mir. Wir wollten eine gute Idee auf ein ganz anderes Niveau bringen. Da ging es natürlich nicht nur darum, wie Boretti behauptet hat, das Loch zu versetzen. Wie er das behaupten kann ohne dabei gewesen zu sein, bleibt mir ein Rätsel. Ich bin kreativer als ein Lochbohrer! Das habe ich damals ja auch schon mit dem sechsfachen Würfelkasten für Helge Thun gezeigt.

Zuerst haben wir mehrere Tage lang zusammen überlegt, welche Effekte noch mit der Box möglich sind. Dann haben wir angefangen nach Lösungen zu suchen, ein kreatives Ping-Pong-Spiel. Eine frühe Idee war etwa, die Kiste von unten zu laden, aus einem speziellen Tisch heraus, aber das wäre einfach zu offensichtlich gewesen. Dann hat uns an dem Schieber gestört, dass er sich nicht ganz herausziehen lässt. Das war uns nicht überzeugend genug. Da hatten wir zunächst die Idee, den doppelten Boden mit Magneten am Schieber zu befestigen. Er musste dann aber heimlich gestohlen werden. Das bewährte sich in der Praxis nicht so sehr.

Naja, irgendwann hat es dann Klick gemacht und die jetzige Lösung war da. Das erste Problem war sauber gelöst. Nach und nach kamen weitere kleine Veränderungen hinzu, um das Ganze zu optimieren. In der Summe haben wir fast ein ganzes Jahr daran gearbeitet. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, es geht immer weiter!

Wo kann die Weiterentwicklung denn noch hingehen?

Es gibt immer neue Variationen. Deshalb möchte ich auch, dass die Box jedem Interessenten zugänglich ist und freue mich, wenn meine Kunden auf kreative Art eigene Ideen umsetzen, was auch schon geschieht. Die Box kann so vielfältig präsentiert werden, ob als klassische Sprechzauberei, als Comedy, als Hypnose-Darbietung oder als Produkt-Pitch. Sie wird sogar ganz ernsthaft im Coaching eingesetzt.

Ich selbst habe die Idee, am Ende gar keine Box mehr zu haben, sondern nur noch eine Platte. Da taste ich mich aber weiter voran.

Das klingt sehr puristisch und vielleicht auch günstiger… Ihre Fühlbox kostet im Grundpreis 650 Euro, dazu kommen optional verschiedene Ausführungen und Trickrequisiten. Reflektiert der Preis entsprechend auch den hohen Produktionsaufwand?

Ja. Es ist eine aufwändige Arbeit, die auch sehr sauber ausgeführt werden muss. Ich kann daher nur wenige Fühlboxen im Monat herstellen. Das kann nicht einfach jeder Bastler nachbauen.

Sind Sie deshalb bisher von billigen Raubkopien aus Fernost und anderswo verschont geblieben?

Ich denke schon, denn es ist ein sehr hoher Arbeitsaufwand. Auch das Material, das ich verwende, gibt es nicht im nächsten Baumarkt. Es ist einerseits sehr dünn, andererseits aber auch sehr stabil, auch in der zerlegbaren Variante der Box.

Gab es denn nach Harrys Auftritt eine verstärkte Nachfrage?

Ja, in den ersten zehn Tagen kamen einige Reaktionen. Jetzt lässt es schon wieder nach.

Wie viele Boxen haben Sie denn inzwischen verkauft?

Auf jeden Fall mehr als zwei! (lacht) Ich kann aber sagen, dass meine Box inzwischen weltweit verbreitet ist, von Europa bis Amerika und von Afrika bis Asien und Australien.

Das wird Boretti vermutlich nicht so gerne hören… Er verweist seit Jahren auf seine Urheberschaft der Gefühlsbox und ist Sie aktuell in seinem Newsletter auch sehr persönlich angegangen…

Dazu muss ich zwei Dinge sagen. Grundsätzlich baut in der Zauberei alles auf etwas anderem auf. Es gibt Weniges, was wirklich ganz neu ist. Auch die Box von Boretti hat mindestens Vorläufer in pädagogischen Fühlboxen, wie es sie in Kindergärten gibt. Gibt man bei Google das Wort “Fühlbox” ein, erscheinen dort sehr viele Varianten für Kinder bis zu Senioren. Und auch ein doppelter Boden ist nun keine ganz neue Idee in der Zauberkunst. Wenn ich mich mit einem Trickprinzip befasse, ist es mein Anspruch die zu diesem Zeitpunkt beste Variante davon herzustellen.

Was Borettis aktuelle Behauptungen und Beleidigungen betrifft, hat er gerade eine von meinem Anwalt verlangte Unterlassungsverpflichtungserklärung unterschrieben, dass er drei Dinge aus seinem Newsletter nicht mehr behaupten wird oder darf. Das hat ihn über 1.000 Euro Anwaltsgebühren gekostet, die Unterlagen kann ich gerne jedem zeigen. Entschuldigt hat er sich bislang für seine Ausfälle nicht, und er behauptet auch noch andere Sachen. Mich interessiert das alles eigentlich gar nicht. Aber wenn er mich nicht in Ruhe lässt, wird es wohl für ihn aufgrund der von ihm unterschriebenen Unterlassungsverpflichtungserklärung teuer werden.

Es wäre doch eine gute Idee, wenn Herr Boretti für jedes seiner Kunststücke, das er verkauft hat und noch verkaufen wird, öffentlich den genauen Nachweis der Rechte belegt. Das würde auch weitere Diskussionen um das Thema sehr erleichtern. Dafür würde ich ihm dann gerne die Hand reichen.

Kommen wir abschließend zu erfreulicheren Dingen. Woran arbeiten Sie derzeit?

Ich habe mit Harry in den letzten zwei Jahren eine neue Sache entwickelt, eine Variante eines Mentaltricks, die er bei den Vorentscheidungen zu den Meisterschaften zeigen will. Damit wird er sicher auch die Zauberer neu überraschen und verblüffen – wenn er es nicht verbockt! (lacht)

Da sind wir aber gespannt! Vielen Dank für das Gespräch, Hakan, und weiterhin alles Gute!

(Interview: Jan Isenbart)

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Die Fühlbox von Hakan Varol und Harry Keaton

Zum Interview mit Boretti geht es hier, zum Interview mit Harry Keaton hier.


 

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Im Interview: Boretti

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„Ich hab‘s erfunden“

 

Lieber Boretti, vor fast 25 Jahren haben Sie die Gefühlsbox erfunden und erstmals in Ihrem Manuskript “And so on” veröffentlicht. Angeregt dazu wurden Sie seinerzeit, wie Sie schrieben, durch einen Trick eines ungenannten Zauberfreundes, der in einer Box eine Riesenkarte verwandelte. Wie wurde daraus dann die Gefühlsbox?

Boretti: Bei dem Zauberer, der mir seine Kiste schenkte, handelte es sich um den vor einigen Jahren verstorbenen Karlheinz Spindler aus dem Raum Freiburg. Es war eigentlich nur eine große Kiste mit Loch. Eine Doppelbildkarte wurde in das Loch gesteckt und “verwandelt” heraus gezogen – völlig unbrauchbar und zu simpel für ein Zauberkunststück. Herr Spindler hatte offenbar selbst gemerkt, dass dieser Effekt nicht der größte war und hat die Kiste neben anderen Requisiten an mich abgegeben.

Und dann?

Ich musste fast alle Requisiten entsorgen. Da die Box aber schön aussah, wollte ich sie nicht wegwerfen. Das Loch schrie praktisch danach, es als Eingriffsloch zu benutzen. Dann habe ich mir das Spiel mit den gegensätzlichen Begriffen – wie Schwamm/Stein und Seil/Stacheldraht – ausgedacht. Der Zuschauer sollte sich in seinen “Empfindungen” täuschen.

Und die Tricktechnik?

Die gab es noch nicht. Um eine passende Austauschmöglichkeit zu finden, kam ich dann auf die Idee, eine zweite Ebene unterhalb des Eingriffsloches einzubauen.

Entstanden ist dann eine dreiteilige Routine, die mit einem Kartenfinden endet. Warum dieses Finale?

Zunächst täuscht sich der Zuschauer ja zweimal. Zum Schluss sollte er aber als Star dastehen, indem er die von einem anderen Zuschauer gewählte Karte auf unerklärliche Weise findet. Das war mir sehr wichtig.

Ich liebe diese Art der Zuschauerspiele, sie sind immer noch meine Leidenschaft. So hat ja dann auch mein “Superquiz” seinen Siegeszug angetreten.

Wie hat Ihnen denn der Auftritt von Harry Keaton bei “Penn & Teller: Fool Us” gefallen?

Keaton hat das exzellent und souverän vorgeführt!

Und wie stehen Sie zu seiner Weiterentwicklung der Box?

Er hat seinerzeit meine Box gekauft und sie zwecks Änderung des Loches an Hakan Varol gegeben. Ihre Box ist sicher optisch wie technisch eine Modifizierung. Der Schieber lässt sich komplett herausziehen, und die Trickebene wurde zur Seite verlegt – bei mir ist sie ja oben.

Die nun kursierende Frage “Wer hat’s erfunden?” stellt sich also gar nicht…

Ich hab’s erfunden. Was meine Publikationen „And so on“ von 1995 und mein Buch Vorhang von 2013 dokumentieren.

Insgeheim freut es mich natürlich, dass meine Idee und Kreation und die Entwicklung der zweiten Trickebene nun den höchsten Ritterschlag von Penn Jillette erhalten haben! Er sagte, dass dies die beste Illusion sei, die er je gesehen habe.

Entscheidend waren natürlich nicht die Ausführung oder Konstruktion der Kiste, sondern insbesondere die Grundidee und die Effektfolge. Und die wurde vor vielen Jahren von mir konzipiert, veröffentlicht, und von der Firma Future Magic in Lizenz produziert.

Vielen Dank für das Gespräch, Boretti, und weiterhin alles Gute!

(Interview: Jan Isenbart)


Zum Interview mit Harry Keaton geht es hier und mit Hakan Varol hier.

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Aus meinem Zauberfundus:

Eine frühe Original Boretti Gefühlsbox in leicht geöffnetem Zustand und mit dem Stacheldraht-Ring, den der Zuschauer stets als Seilstück “erfühlt”.

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Update Mai 2020:

Boretti bietet die Gefühlsbox derzeit auch in weiß und “ohne Schnick-Schnack” an, zu sehen hier. Auch andere Farben sind möglich.


 

Im Interview: Harry Keaton

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Harry Keaton (Bild: BahmanBörger)
„Wenn sie erneut fragen, bin ich wieder dabei“

 

Herzlichen Glückwunsch, Harry, zu deinem erfolgreichen Auftritt bei “Penn & Teller: Fool Us”! Hand aufs Herz: Hast du damit gerechnet, die beiden “foolen” zu können?

Harry Keaton: Die Chancen lagen aus meiner Sicht bei 50:50. Castingshows sind immer ein Tanz auf dem Drahtseil, und es spielen ja viele Faktoren mit: Wie läuft die Performance vor der Kamera? Wie spielt die Moderatorin Alyson Hannigan mit? Haben Penn & Teller die Fühlbox schon einmal gesehen? Auch Sympathie spielt eine Rolle. Die Reaktionen von Penn & Teller auf meinen Auftritt fand ich dann schon überwältigend – damit hatte ich nicht gerechnet, und natürlich war ich überglücklich!

Wie kam es denn zu deinem Auftritt? Hast du dich selber beworben, oder wurdest du empfohlen oder gar “gescouted”?

Simon Pierro hat mich empfohlen, das fand ich sehr nett. Er war bereits zweimal in dem Format zu sehen und hat jeweils starke Auftritte hingelegt.

Stand für dich von Anfang an fest, deine Version der Fühlbox zu zeigen?

Ja, das war von den Produzenten gewünscht.

Wie hast du dich speziell auf diesen Auftritt in englischer Sprache vorbereitet?

Ich trete zwar oft vor internationalem Publikum auf, aber ein Auftritt im  amerikanischen Fernsehen ist doch eine andere Hausnummer. Mit Freunden von mir, die native speaker sind, bin ich die Texte durchgegangen. Außerdem wollten die Produzenten ein Video auf Englisch. Sie haben einige Änderungen am Text vorgeschlagen. Auch vor Ort wurde nochmals am Text gefeilt.

Was musstest du an deiner Routine verändern?

Die gravierendste Änderung war die Beschränkung auf eine Zuschauerin – eben auf die wunderbare Alyson Hannigan. Normalerweise arbeite ich mit zwei Zuschauerinnen. Die Arbeit mit nur einer Person machte Änderungen in den Abläufen nötig. Außerdem nutze ich normalerweise für die Mitwirkenden ein Handmikrofon – das hilft bei der Misdirection. Das fiel aber weg, weil Alyson ein Lavalier-Mikro trug.

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Harry Keaton mit seiner Version der Gefühlsbox (Bild: Keaton)

Und wie wurdest du vor Ort beraten?

Das Fernsehteam war natürlich hochprofessionell, sie haben vor allem in puncto Skript beraten.

Die Aufzeichnung der Sendung ist ja sicher schon einige Monate her. Wie schwer war es, nicht darüber sprechen zu dürfen?

Kein Problem – als Zauberer sind wir es doch gewohnt, Geheimnisse für uns zu behalten!

Wie geht es nun weiter? Willst du dich – wie viele Gewinner – nochmal der Herausforderung stellen?

Im August fliege ich erneut nach Las Vegas, um in der Penn & Teller Show aufzutreten. Allerdings mit einem anderen Act – die Frachtkosten wollten die Produzenten nicht erneut übernehmen… Und klar, wenn sie erneut fragen, bin ich wieder dabei. Am besten mit einem Effekt aus meiner neuen Show “BrainMagic”, die nächstes Jahr Vorpremiere hat.

Vielen Dank für das Gespräch, Harry, und weiterhin viel Erfolg!

(Interview: Jan Isenbart)

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Zum Anschauen: Harrys Auftritt!

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Zum Hintergrund der Gefühlsbox:

Die Gefühlsbox wurde von Erich Hammann-Boretti entwickelt und erstmals 1995 von ihm in seinem Manuskript “And so on” veröffentlicht, später dann auch produziert und vermarktet. Sie ist auch heute noch erhältlich.
Addendum 16.08.2019: Aktuell bietet Boretti wieder einige Exemplare seiner “Gefühlsbox Deluxe” an, mit Eingriffsloch an der Oberseite.
Harry Keaton hat später mit Borettis Genehmigung zusammen mit Hakan Varol nach vielen Experimenten seine eigene Version der Box kreiert und dazu eine wunderbare Routine geschaffen, die meiner Meinung nach eine erhebliche Weiterentwicklung des Originals darstellt.
Diese Fühlbox wird nach wie vor von Varol vermarktet, was Boretti in seinem aktuellen Newsletter (Nr. 793) heftig kritisiert.
Eine aktuelle Diskussion hierzu findet sich auch im Genii Forum.
Zum aktuellen Interview mit Boretti geht es hier und mit Hakan Varol hier.
Für MZvDler: Im magie-Jahrgang 2013 hat Harry Keaton in einem zweiteiligen Artikel seine Gedanken zur Entwicklung und zur Vorführung der Box ausführlich beschrieben.
Hier spricht Harry Keaton über die Gefühlsbox in einem Radiointerview bei hr1.

Zu Interviews mit weiteren “Penn & Teller: Fool Us”-Teilnehmern geht es hier.