Im Interview: Denis Behr

Behr

„Langzeit-Ziele sind nicht meine Natur

Denis Behr gilt als einer der führenden Kartenkünstler weltweit. Auch als Trickschöpfer, Autor und Seminarleiter genießt er großes Ansehen. Daneben betreibt er ein ständig wachsendes Online-Archiv zur Zauberliteratur, das frei zugänglich ist und für das er 2018 mit einem “Award of Merit” der Academy of Magical Arts ausgezeichnet wurde.

Hallo Denis, ich hoffe, du bist mit Herbert gut ins neue Jahr gestartet! Was steht denn bei euch demnächst so an, jetzt nach The Session und neben eurer regelmäßigen Show?

The Session war wieder ein schöner Kongress. Dort bin ich fast jedes Jahr, und ich finde, es hat dort eine entspannte Atmosphäre und in der Regel einige interessante Künstler. Die beiden Shows im Alexander Krist Theater, The King of Cards 1 & 2, werden weiter regelmäßig gespielt. Dann geht es bald auf den CardWorkshop in Nürnberg. Das ist ein jährliches Treffen für deutschsprachige, geladene Kartenzauberer, bei dem jeder einen Beitrag vorbereiten muss. Ich habe einen kurzen Vortrag über den Effekt “The Tantalizer” geplant. Zu diesem Effekt habe ich beim Recherchieren einen neuen Ursprung finden können, und eine Liste von über 130 veröffentlichten Varianten angesammelt. Die werde ich selbstverständlich alle mehrfach vorführen. Und dann stehen natürlich im Mai die Deutschen Meisterschaften in Fürstenfeldbruck an, auf die ich mich schon freue.

Gibt es einen zauberhaften Wunsch oder ein besonderes Ziel, das du in diesem Jahr noch erreichen möchtest? Und wie stehst du überhaupt zu Neujahrsvorsätzen?

Ich habe weder konkrete Vorsätze noch Ziele. Diverse Coaches, Motivationsredner oder Lebenshilfe-Ratgeber werden zwar nicht müde zu betonen, dass man sich solche setzen sollte – und dann vielleicht noch leichter erreichbare Zwischenziele auf dem Weg dorthin definieren muss –, aber nichts liegt mir ferner. Langzeit-Ziele oder gar eine “Bucket List” sind nicht meine Natur. Ich wurschtle vor mich hin, und es kommt immer wieder mal etwas dabei heraus oder auch nicht. Ich denke, das ist Typ-Sache. Aber ich habe für mich das Gefühl, so entspannter leben zu können.

Zu deinen schon lange laufenden Projekten gehört dein fantastisches Conjuring Archive. Was erwartet uns da Neues?

Neu ist nur der Newsletter, der unregelmäßig verschickt wird. Ich habe ein paar Sachen in der Entwicklung der Datenbank geplant, habe allerdings den Code schon längere Zeit nicht mehr angefasst. Ich gebe in letzter Zeit lieber neue Inhalte an, statt am System selbst zu arbeiten. Das wird jedoch bald mal wieder notwendig sein, und ich hoffe ich komme in den nächsten Monaten mal dazu. Das System zum Eingeben von neuen Büchern würde ich ganz gerne als erstes überarbeiten.

Du steckst da unglaublich viel Arbeit rein und auch in die Conjuring Credits. Warum sind dir Quellen und Credits so wichtig?

Es gibt dafür mehrere Gründe. Zum einen hilft es nicht, wenn altes oder bekanntes Material wieder und wieder veröffentlicht wird, nur weil jemand nicht wusste, dass es das schon gibt. Bevor man etwas veröffentlicht, muss man recherchieren, ob es neu ist und etwas taugt. Dann ist es ganz schlicht und ergreifend interessant, wie sich Tricks, Plot, Techniken oder Konzepte entwickelt haben, wie weit sie in die Vergangenheit zurückreichen und in welchen anderen Kontexten sie so verwendet wurden.

Vor allem aber werden damit die Zauberkünstler gewürdigt, auf deren Schultern wir stehen und aus deren Ideen und Kreativität wir uns bedienen dürfen. Nur dadurch bleiben deren Arbeit und nicht zuletzt deren Namen in Erinnerung. Dasselbe erwarten wir, wenn andere Ideen von uns verwenden oder weiterentwickeln: dass unser eigener Beitrag zur Zauberkunst nicht in Vergessenheit gerät oder gar verschwiegen wird, um sich mit fremden Federn zu schmücken.

Mal von deinem Gummiband-Buddy Herbert abgesehen, scheinst du eher der magische Einzelgänger zu sein, deine eigene One-Man-Show. Bist du nicht der Typ für zaubernde Ensembles, oder hat es sich bisher einfach noch nicht so oft ergeben?

Wir hatten tatsächlich im Theater längere Zeit zwei Shows, die wir in einem Team zu dritt gespielt haben. Sie hießen Magic Misch Masch (Teil 1 und Teil 2), und Jörg Alexander und Christian Münch waren die Mitstreiter. Das hat großen Spaß gemacht. Ich habe grundsätzlich nichts gegen Shows im Team; da ich jedoch wenig Material für die große Bühne habe, ergibt es sich selten.

Was das Erarbeiten von Tricks angeht, bin ich tatsächlich eher ein Einzelgänger. Ich zeige Kollegen selten Sachen, die noch in Arbeit sind, sondern warte bis ich so weit bin wie ich alleine komme.

Laut deines Instagram-Accounts bist du auch als leidenschaftlicher Hobby-Konditor unterwegs. Siehst du da irgendwelche Parallelen zur Kartenkunst – Techniken, Klassiker, Variationen, Streben nach Perfektion etc. –, oder ist beides für dich „totally unrelated“?

Man kann zwischen jedem beliebigen Hobby und der Zauberkunst Parallelen ziehen, wie etwa die Stichpunkte, die du ansprichst. Allerdings ist so etwas oft an den Haaren herbeigezogen und wenig erhellend, wenn man sich nicht zufällig selbst für beides im Detail interessiert. Die Wahrheit ist, dass ich für mich selbst keinerlei Verbindung sehe. Mir macht beides eigenständig Spaß.

Noch größer scheint nur deine Leidenschaft für die eine oder andere Maß Bier zu sein. Nun ist dein Name ein – etwas holpriges Anagramm für „H., send‘ Bier!“ – Zufall oder Bestimmung?

Das ist ja offenbar der Beweis dafür, dass es Bestimmung sein muss! Ich habe tatsächlich erst in München angefangen, Bier zu trinken. 2001 bin ich nach München gezogen, und erst seit 2004 trinke ich überhaupt Alkohol. Ich trinke zwar gerne Bier und bemühe mich, kein Bier zu wenig zu trinken, aber sicher seltener, als es die Anzahl der Bierfotos auf Instagram suggerieren. Die Motivwahl dort fällt da teilweise eher in die Kategorie “Character Building”.

Behr_Bier
Screenshot Denis Behr Instagram Account

Das ist ja beruhigend zu erfahren! Du sollst auch die größten Hände in der Welt der Kartenkünstler haben. Ist das eher ein Vorteil, ein Nachteil oder völlig egal?

Wie alles hat es Vor- und Nachteile. Manche Techniken fallen leichter, ein paar auch schwerer, weil die Proportionen nicht stimmen. Und natürlich wird es von Zuschauern gerne erwähnt, dass man sicher so große Hände haben müsse zum Zaubern. Fast alles lässt sich mit jeder Handgröße bewerkstelligen. Mein Freund Pit ist in Sachen Handgröße eher das Gegenteil, und palmiert beispielsweise auch fleißig (und erfolgreich).

Welche deiner vielen Trickkreationen lässt dich bei der Vorführung ob ihrer Raffinesse innerlich am meisten schmunzeln?

Da gibt es einiges, und das wechselt auch. In letzter Zeit vielleicht “Mating Season”. Eigentlich führe ich nur Sachen vor, die mir gefallen. Ich bin in der Trickauswahl insofern relativ egoistisch, als dass ich meinen Geschmack über den des Publikums stelle. Ich denke mir, wenn ein Kunststück mir selbst gefällt, dass sich dieses Gefühl überträgt und auch die Zuschauer leichter mitzureißen sind als wenn ich angeblich super-kommerzielle Tricks vorführe, die mir keinen großen Spaß bereiten.

Und welchen Kartenklassiker hättest du selbst gerne erdacht?

Ich freue mich genauso darüber, wenn ich tolle Ideen von anderen Künstlern verwende, wie wenn ich Eigenentwicklungen vorführe. Daher hatte ich nie das Gefühl, dass ich etwas von anderen lieber selbst erfunden hätte.

Bitte kommentiere die folgenden Begriffe und Namen möglichst kurz und knackig: Trickkarten?

Jederzeit, wenn es sich lohnt.

Erdnase?

Keine Bibel.

Macarons?

Kann ich.

Behr_Macarons
Screenshot Denis Behr Instagram Account

Ganz offensichtlich! – Harry Lorayne oder Simon Aronson?

Aronson.

Zauberforen oder Instagram?

Darf man beides nicht zu ernst nehmen.

Kölsch oder Altbier?

Jeweils vier, bitte!

Bei nächster Gelegenheit sehr gerne! Zum Abschluss: Du findest immer so herrlich schräge Zitate in der Zauberliteratur. Hast du bitte noch so ein Schätzchen für uns parat?

Aus der Magischen Welt stammt diese bemerkenswerte und fragwürdige Beobachtung von Franz Kaslatter: „Erschreckend viele Kollegen beschäftigen sich mit der Zauberkunst hauptsächlich aus Angst. Die Furcht vor dem Gefühl, sich einmal ein Zauberkunststück nicht irgendwie erklären zu können, halte ich für einen der häufigsten Gründe, selbst Zauberkünstler zu werden.“

Vielen Dank, Denis, und weiterhin viel Erfolg!

(Interview: Jan Isenbart)


Zur Homepage von Denis Behr geht es hier, zu seinen nächsten Auftritten im Alexander Krist Theater hier.

Und hier ist ein kurzer Trailer für seine Show:

Video-Interview von Semjon Sidanov (2018):

Magischer Podcast-Interview (2017):


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