Im Interview: Thomas Fraps

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Zauberer mit Hirn: Thomas Fraps (Bild: Gerald Huber)
„Wir zaubern einfach weiter, solange Zuschauer kommen“

 

Hallo, Thomas! Das Jubiläum „25 Jahre Zauberwochen“ in München liegt seit ein paar Wochen hinter dir und deinen Mitstreitern. Wie lief es denn so?

Thomas Fraps: Sehr gut! Wir hatten drei fast ausverkaufte Abende, unter anderem mit Guy Hollingworth und David Sousa als Special Guests und mit vielen Fertigen Fingern, die sich ja auch vor 25 Jahren zusammengefunden haben in der Ursuppe des Kellertheaters, das es mittlerweile leider nicht mehr gibt. Ein immenser Wasserschaden im Sommer 2017 und ein schwieriges Verhältnis mit dem Vermieter, der den Vertrag mit dem Pächter einfach nicht erneuert hat, haben dazu geführt, dass der Raum nach fast 40 Jahren jetzt nur noch ein Keller ist, ohne Theater.

Wer oder was war denn dein persönliches Highlight, aktuell und auch aus den 25 Jahren?

Oh, das ist schwer zu sagen, sicher aber, dass wir zum 20-jährigen Jubiläum Mac King für zwei Abende als Stargast der Zauberwoche engagieren konnten, und ebenso die Tatsache, dass vorher auch schon “Kollegen” wie Richard McDougall, Noel Britten, David Williamson, Max Maven, Gary Kurtz – zwei Mal! –, Juan Tamaríz und viele andere im Keller als Stargäste ein Soloprogramm gespielt haben. Und das auch noch zu “Freundschaftskonditionen” aufgrund persönlicher Bekanntschaften im Lauf der Jahre, meist durch unsere Auftritte als Fertige Finger. Die Jungs wussten also, aus welcher Ecke die Anfrage kam und worauf sie sich einlassen – plus natürlich die Münchner Biergärten als Bonusargument!

Daneben bietet Ihr beim Magic Monday auch immer wieder dem Nachwuchs eine Bühne…

Ja, es gibt viele junge Kollegen, die die monatlichen Termine nutzen oder genutzt haben, zum Beispiel als eine weitere Auftrittsmöglichkeit vor den Deutschen Meisterschaften. Thommy Ten und Amelie oder Luke Dimon etwa haben 2013 jeden Magic Monday mitgemacht, um an ihren Nummern zu arbeiten und um die kreative Ursuppe zu nutzen, die da seit 1994 köchelt. Wir wiederum als Gastgeber haben dafür tolle Nummern im Programm.

Im Fall von Luke Dimon fiel mir in einer Anmoderation übrigens plötzlich auf, dass er ja noch gar nicht geboren war, als wir zum ersten Mal die Magic Mondays veranstaltet haben! Da steht man dann mit einem lachenden und einem weinenden Auge vor schmunzelndem Publikum.

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Oh ja, tempus fugit! Dennoch, wie geht es denn 2020 und darüber hinaus weiter?

Wir zaubern einfach weiter, solange Zuschauer kommen, und versuchen die Magic Mondays weiterhin als Kreativlabor zu nutzen, also die Ursprungsidee fortzuführen: gemeinsam aufzutreten und sich gegenseitig Feedback zu geben, um Nummern oder Charaktere weiterzuentwickeln.

Du hast es erwähnt, zeitgleich mit dem Jubiläum der Zauberwochen gab es auch noch die sicher feucht-fröhlichen 25 Jahre Fertige Finger-Feierlichkeiten (FFFFF). Bei Paaren nennt man das Silberhochzeit oder Silberjoch – wie fühlt sich das in eurer offenen Gruppen-Beziehung an, außer vergänglich?

Das war ein schöner, gelungener Abend, zumal es auch mein 52. Geburtstag war! Wir haben einen der Abende des 25-jährigen Jubiläums offiziell als Fertige Finger gespielt und alte Team-Nummern reaktiviert, die wir zum letzten Mal 2015 im Magic Castle gespielt hatten.

Natürlich hat es auch nostalgische Anklänge, da wir alte Nummern wieder gebracht haben und aufgrund der anderen Lebensphasen wie vor 20, 25 Jahren. Wir haben einfach aus beruflichen oder privaten Gründen nicht mehr so viel freie Zeit für’s Proben, Rumspielen und Improvisieren wie damals. Entsprechend hatten wir auch nur ein paar Stunden am Nachmittag Zeit für die Proben und die “Rekonstruktion” der Nummern. Aber es war schön zu erleben, dass diese Nummern und wir als Team immer noch gut funktionieren.

Wo seht Ihr euch denn zum 50. Geburtstag? Große Gichtige Griffel-Matinee um 11 Uhr, direkt nach dem Mittagessen, im Ruhesaal des Geriatrikon in Baden-Baden? Oder doch noch einmal Magic Castle?

Alles zusammen! Ich kann es nicht genau sagen, aber schön wäre es natürlich, mit 77 Jahren nochmal einen gemeinsamen Auftritt vor ausverkauftem Haus hinzustellen und dazu ein paar neue Nummern im Gepäck zu haben…

Gibt es aktuell gemeinsame neue Pläne der Finger, auf die wir uns freuen können? Apps, Podcasts, Instagram-Stories, Netflix-Serien oder dergleichen?

Momentan reichen dafür leider die Zeit und Energie nicht aus, um alle Kollegen so zu synchronisieren, dass es kontinuierlich zu Treffen und Proben kommen könnte. Ich habe die (Chaos-)Truppe ja stets als “Zeigefinger” organisiert, und es gelingt immer mal wieder, die Kollegen für ein Spezialprojekt oder eben ein Jubiläum zusammenzurufen, aber das bedarf langer Vorlaufzeit und ist vor allem immer ein Freundschafts- und Hobbyprojekt, das aber organisatorisch fast professionellen Zeit- und Organisationsaufwand bedeutet. Diese Freizeit, die in meinem Fall dafür übrig war, ist jetzt seit einigen Jahren mit meiner Familie und ganz besonders mit meinem Sohn Max ausgefüllt.

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Noch ein ganz anderes Thema, Thomas. Du befasst dich seit Jahren auch intensiv mit der Verbindung von Hirnforschung und Zauberkunst. Was gibt es Neues aus dem Täuschungszentrum im Hirn zu berichten?

Auch hier bin ich aus zeitlichen Gründen nicht mehr so eingebunden wie früher und auch an keinem Experiment mehr beteiligt, verfolge aber die Aktivitäten weiter, so gut es geht. 2017 war ich als Keynote-Redner auf der ersten „Science of Magic“-Konferenz in London eingeladen, zur zweiten in Chicago in diesem Jahr habe ich es als reiner Besucher leider nicht geschafft.

Es gibt viele Veröffentlichungen in Form von wissenschaftlichen Fachartikeln mit Peer Review, die im Netz zu finden sind, und ein populärwissenschaftliches Buch von Gustav Kuhn, das gerade erschienen ist, Experiencing the Impossible. Sehr zu empfehlen für jeden, der wissen will, was da genau getrieben wird mit der Zauberkunst im Labor! Wirklich neue Erkenntnisse gibt es aus meiner Sicht allerdings für uns Zauberer noch nicht.

Teller hatte vor Jahren mal in der Hoffnung, etwas für die Zauberkunst zu lernen, mit Hirnforschern zusammengearbeitet, aber dann enttäuscht wieder aufgegeben. Man findet seinen Artikel dazu im Netz. Ich halte den Dialog zwischen Zauberkunst und Wissenschaft für wichtig und auf lange Sicht auch fruchtbar. Doch das ist sicher individuell sehr unterschiedlich. Ich denke, wir verstehen dadurch besser, auf welchen Wahrnehmungsmechanismen manche unserer Finten und psychologischen Techniken beruhen. Es hilft auch, ein tieferes theoretisches Verständnis dafür zu bekommen, vorausgesetzt, man ist überhaupt daran interessiert.

Sollte sich nicht jeder ernsthafte Zauberer hiermit auseinandersetzen?

Es ist für eine gute Vorführung oder Kreativität in der Zauberkunst nicht existenziell erforderlich. Um eine hinkende Metapher zu verwenden: Es hilft Ahnung zu haben von der Funktionsweise eines Motors, wenn man Rennen fahren will oder ein neues Auto bauen oder das eigene Auto im Alltag plötzlich Probleme macht. Aber natürlich kann man auch ein sehr guter Autofahrer sein ohne zu wissen, wie der Motor funktioniert, bzw. anderen die Reparatur überlassen.

Als Künstler ist ein intuitives Verständnis oft wichtiger als technische, psychologische oder wissenschaftliche Details, in denen man sich auch verlieren kann. Juan Tamaríz, David Berglas oder Derren Brown sind ja auch komplett ohne diese “Zauberwissenschaft” ausgekommen, ganz im Gegenteil, sie haben psychologische Werkzeuge entdeckt und Methoden für ihre Kunststücke selbst entwickelt, die die Wissenschaftler jetzt für ihre Zwecke untersuchen, um mehr über unsere Denk- und Wahrnehmungsmechanismen zu lernen. So gesehen lernt die Wissenschaft momentan noch mehr von der Zauberkunst als umgekehrt.

Mit deinem Wissen in diesem boomenden Zweig der Forschung: Welche menschliche Eigenschaft oder Unzulänglichkeit, die Täuschungen begünstigt, fasziniert dich eigentlich am meisten?

Da gibt es eigentlich keinen Favoriten oder Einzelfall, sondern es ist genau der Sachverhalt an sich, den du ansprichst, der mich am meisten fasziniert. Die Tatsache, dass Wissen nicht vor Täuschung schützt, dass die Evolution diese “Fehlwahrnehmungen” noch nicht ausgemerzt hat, sondern im Gegenteil die Fähigkeit zu täuschen fester Bestandteil der Evolution ist und zum Beispiel im Fall der Tiertarnung das Überleben ermöglicht. Die Fähigkeit unserer Wahrnehmung, ein und dieselben Sinnesdaten flexibel zu interpretieren und offen zu sein für alternative Möglichkeiten, ermöglicht es uns dann eben auch – ungefährliche – künstlerische Illusionen zu erleben.

Die Zauberkunst wiederum stellt hier für mich die schönste Anwendung dar, denn sie ist nicht einfach nur eine Illusion, die uns zum Beispiel parallele Linien als schief sehen oder einen Gorilla bei einem Basketballspiel übersehen lässt. Die Zauberkunst lässt uns etwas als real sehen und fühlen, das uns unser Verstand als „unmöglich“ meldet.

Und meine Vermutung ist, dass – egal welchen Wissenstand wir in 100 oder 1000 Jahren haben werden – die Zauberkunst immer möglich sein wird. Also Szenarien und Choreographien zu erschaffen, die uns unmögliche Illusionen erleben und im Idealfall fassungslos staunen lassen. Als Profi ist beruhigend zu wissen, dass die Grundlage unseres Berufes, Menschen zum Staunen zu bringen, auch für die nächsten Jahrhunderte gesichert ist.

Vielen Dank für das Gespräch, Thomas, und dir und den Fertigen Fingern weiterhin viel Erfolg!

(Interview: Jan Isenbart)


Hier geht es zu ausgewählten Texten von Thomas Fraps, und hier könnt Ihr ihn im “Magischen Podcast” Nr. 79 von Dominik Fontes und Daniel Dück hören!


 

2 thoughts on “Im Interview: Thomas Fraps

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